PETRA KVITOVA – PUBLIKUMSLIEBLING MIT KÄMPFERQUALITÄTEN

Petra Kvitova saß im großen Interviewraum auf der Anlage im Stade Roland Garros – und alle schwiegen. Die Sekunden wurden zur gefühlten Ewigkeit. Keiner der Medienvertreter traute sich so recht, die sichtlich bewegte Tschechin nach diesem so besonderen Match nach ihren Gefühlen zu fragen. Gemessen an den nackten Zahlen schien sich hinter dem 6:3, 6:2 gegen die damalige Weltranglisten-85. Julia Boserup (USA) nichts Außergewöhnliches zu verbergen. Für Petra Kvitova aber war der Erstrundensieg bei den French Open 2017 so viel mehr als der Start in ein neues Tennis-Leben.

Knapp vier Jahre sind seitdem vergangen – und die Linkshänderin ist inzwischen längst wieder angekommen im erlauchten Kreis jener Profis, die bei jedem der vier Grand Slams irgendwie immer zu den Favoritinnen zählen. Für viele ist Petra Kvitova wieder die alte Petra Kvitova. Auf und abseits des Courts. Die 31-Jährige selbst sieht das etwas anders. „Das Geschehene wird immer Teil meines Lebens bleiben“, sagt sie, wenn sich an jenen Morgen im Dezember 2016 erinnert.

Damals, kurz vor Weihnachten, hielt sich die zweimalige Wimbledonsiegerin in ihrem Apartment in Prostejov auf und wartete auf eine Dopingkontrolle. Als ein Mann an der Tür klingelte und vorgab, Klempner zu sein, dachte sie sich nichts dabei und ließ ihn hinein. „Plötzlich merkte ich, dass ich von hinten ein Messer am Hals hatte“, berichtete Kvitova, die zu den beliebtesten Spielerinnen im Circuit zählt.

Die Ärzte hatten die Tenniskarriere von Kvitova bereits aufgegeben

Im folgenden Handgemenge erlitt sie schwerste Verletzungen an ihrer linken Schlaghand. Betroffen waren Sehnen und Nerven an allen Fingern und am Daumen. In einer fast vierstündigen Notoperation wurde die Hand „gerettet“. Der zuständige Chirurg Radek Kebrle, mit dem sich Kvitova mehrere Monate später auf dem Cover eines tschechischen Magazins ablichten ließ, erklärte: „Die Verletzungen waren grauenvoll. Und die Chancen, dass die Hand so gut verheilt, dass Petra wieder Tennis spielen kann, waren wirklich sehr gering.“

Auch aus ihren psychischen Blessuren machte die sechsmalige Fed-Cup-Gewinnerin keinen Hehl: „Ich hatte lange Zeit Ängste, habe mich ständig umgeschaut, wenn ich auf der Straße unterwegs war.“ Der Täter wurde mit einer Haftstrafe von elf Jahren belegt.

Die Liebe zum Tennis war der Wendepunkt – „Flo“ Zitzelsberger im Team

Kvitova nahm psychologische Hilfe in Anspruch und kämpfte sich peu a peu zurück, obwohl die Mediziner lange Zeit skeptisch blieben. Tief im Inneren spürte sie in den schwierigen Reha-Wochen, wie viel ihr Tennis bedeutete, dass nichts selbstverständlich ist. „Das war der Wendepunkt“, betonte sie: „Ich wollte beweisen, dass ich ein Comeback schaffen kann. Trotz der schlechten Voraussetzungen und Prognosen. Dass nach etwas Negativem etwas Positives folgen kann…“

In der Saison 2018 bekam die Tenniswelt dann die komplett wiedererstarkte Petra Kvitova zu sehen. Die aufschlagstarke Tschechin (1,82 m), die als Kind Martina Navratilova bewunderte und als extrem intelligente Spielerin gilt, gewann fünf Turniere (St. Petersburg, Doha, Prag, Madrid, Birmingham). Im Jahr darauf verpasste sie bei den Australian Open nur knapp ihren dritten Grand-Slam-Titel, als sie im Finale nur knapp in drei Sätzen der Japanerin Naomi Osaka unterlag.

Mit einem Triumph in Melbourne hätte Kvitova, in deren Team der Deutsche Florian Zitzelsberger als Physio und Fitnesstrainer steht, erstmals die Spitze der Weltrangliste erobern können. Nach dem Endspiel lächelte sie trotzdem und war äußerst gefasst. Demütig. So wie jemand eben, der genau weiß, dass alles irgendwie ein Bonus ist.

Die Bad Homburg Open freuen sich auf eine außergewöhnliche Spielerin und eine tolle Persönlichkeit! Welcome, Petra Kvitova!